Seit kurzer Zeit macht eine neue Social-Media-App von sich reden: Clubhouse. Handelt es sich dabei um einen Trend, der bald wieder verschwindet? Oder doch um ein wertvolles Content-Marketing-Instrument? Im Interview erläutert Autorin und Content-Marketing-Expertin Svenja Teichmann, inwieweit Clubhouse für B2B-Unternehmen relevant ist.
17. Februar 2021
Liebe Frau Teichmann, wer in den sozialen Medien aktiv ist, wird in den vergangenen Tagen und Wochen kaum an Clubhouse vorbeigekommen sein. Was ist das und wie kann man die App nutzen?
Ja, das stimmt. Bei Clubhouse handelt es sich um eine Mischung aus Social-Media- und Podcast-Plattform, über die Nutzer ausschließlich via Audio kommunizieren können. Clubhouse bietet keinerlei Funktionen für Fotos, Videos oder Text. Momentan ist Clubhouse nur für einen eingeschränkten Nutzerkreis verfügbar. Zum einen können ausschließlich iOS-User die App verwenden. Zum anderen ist eine Registrierung nur mittels Einladung möglich. Die Sache hat einen weiteren Haken: Jeder Nutzer kann nur zwei weitere neue User einladen. Somit besticht Clubhouse zurzeit vor allem durch Exklusivität. Innerhalb der App gibt es wiederum zwei Möglichkeiten, sie zu verwenden. Entweder man tritt einem bestehenden Raum als User bei oder man eröffnet einen eigenen. Innerhalb eines Raums kann allerdings nicht jeder Teilnehmer reden – das können nur die auserkorenen Sprecher, die wiederum von sogenannten Moderatoren ernannt werden. Dennoch muss es bei allen anderen Teilnehmern nicht beim reinen Zuhören bleiben. Durch ein Handzeichen können sie signalisieren, dass sie etwas zur Diskussion beitragen möchten. Dann entscheiden die Moderatoren, ob sie einen Zuhörer zum Sprecher erheben wollen – was jederzeit möglich ist.
Das klingt in der Tat spannend und völlig neu. Wie ist Ihre Einschätzung: Wird Clubhouse bald wieder verschwinden?
Eine Prognose abzugeben, ob sich Clubhouse etablieren und wie sich die App weiterentwickeln wird, ist natürlich schwierig. Letztlich folgt sie aber dem Puls der Zeit. Immer mehr Menschen interessieren sich für Audio- und Podcast-Formate, ihre Nutzung und Verbreitung steigt rasant an. Eine wesentliche Ursache hierfür liegt sicherlich in der Mischung aus Corona, dem Lockdown und Events, die ausschließlich – wenn überhaupt – digital stattfinden. Viele Unternehmen wollen jetzt auch „First-Mover“ sein und auf den Hype-Zug aufspringen. Die Chance, dass Clubhouse bleiben wird, beläuft sich meiner Ansicht nach auf über 50 Prozent. Der Grund ist leicht erklärt: Während Apps wie Snapchat und TikTok in der Masse eher jüngere Zielgruppen ansprechen – Stichwort Digital Natives –, adressiert Clubhouse auch ältere Nutzer. Damit hat die App eine potenziell größere Nutzerschaft. Nicht zu vergessen – ihre sehr simple und intuitive Nutzung. Schon jetzt ist erkennbar, dass sich Clubhouse für eine breite Themenpalette öffnet. Waren es zu Beginn eher Marketing- und Tech-Aspekte, kommen nun sukzessive auch gesellschaftliche Themen zur Sprache. Daher ist Clubhouse ein guter Player für die Nische. Übrigens: Auch Twitter hat es nie aus der Nische geschafft und sich dennoch etabliert.
Wie stehen die Chancen für Clubhouse: Wird die App für B2B-Markter relevant werden?
Wer seine Zielgruppe(n) mit nutzwertigen Inhalten ansprechen möchte, dem ist nur zu empfehlen, sich mit Clubhouse zu beschäftigen. Die App lebt von Authentizität und profitiert von der Dynamik, die innerhalb eines Raums entstehen kann. Dabei besteht natürlich immer die Gefahr, dass die Zuhörer das Panel schnell verlassen. Eben genau dann, wenn die Inhalte nicht auf den Punkt gebracht sind. Im B2B gibt es sehr kleine, spitze Zielgruppen. Umso wichtiger ist es, die Inhalte für Clubhouse zielgruppenspezifisch und -gerecht aufzubereiten. Dann haben B2B-Unternehmen die große Chance, ihre Expertise zu zeigen – auch auf Clubhouse. Wer verstanden hat, dass man seine Zielgruppe mit interessanten Inhalten ansprechen muss, dem wird dies auch auf Clubhouse gelingen. Es geht dort allerdings weniger darum, sich als Unternehmen zu präsentieren, als vielmehr eine Plattform für spannende Themen und interessante Sprecher aufzumachen. Der Dialog steht im Vordergrund. Clubhouse ist ein Kanal mit einem neuen Format – dem Live-Audio –, welches den bisherigen Content-Marketing-Mix perfekt ergänzt. Jedoch müssen Unternehmen Clubhouse offen gegenüberstehen, denn dadurch, dass die Zuhörer eingebunden sind, ist ein Event inhaltlich nicht hundertprozentig planbar.
Ist Clubhouse aufwendig zu nutzen?
Das Aufwand-Nutzen-Verhältnis von Clubhouse ist sehr gut, denn die Panels lassen sich relativ schnell vorbereiten – im Gegensatz zu YouTube-Videos oder einem eigenen Podcast. Beides müssen B2B-Unternehmen aufwendig produzieren. Wer Clubhouse ausprobieren möchte, kann beispielsweise zunächst prüfen, welche Experten aus der Branche schon dabei sind. In der Praxis bieten sich dann wiederkehrende Formate an. Ich selbst habe hier ein eigenes Format ins Leben gerufen, das jeden Mittwoch um 18:30 Uhr stattfindet – mein „B2B-Online-Marketing Weekly“. Hier können B2B-Marketer ohne großen Aufwand ins Gespräch kommen und sich ganz unkompliziert mit Stakeholdern, Partnern und ihrer Zielgruppe austauschen.
Ein Aspekt, der momentan für Diskussionen sorgt, ist der Datenschutz. Wie ist Ihre Meinung zu dieser Thematik?
Natürlich gibt es derzeit einige Hinweise darauf, dass Clubhouse in rechtlicher Hinsicht noch etliche Hausaufgaben zu erledigen hat, etwa hinsichtlich der Weitergabe der Telefonnummern nach Klick auf den Invite-Button. Dabei ist zu beachten, dass User die Freigabe von Rufnummern auch unterbinden können. Für viele B2B-Unternehmen hat Datenschutz völlig zurecht einen sehr hohen Stellenwert. Doch wenn man immer alles gleich perfekt machen möchte, kann nichts Neues entstehen. Deshalb ist davon auszugehen, dass Clubhouse hier noch nachbessert – und die App künftig für einen größeren Nutzerkreis (Android und ohne Einladungen) öffnen wird. Das kommt wiederum den B2B-Unternehmen zugute, da sie so noch mehr potenzielle Interessenten erreichen.
Liebe Frau Teichmann, wir danken Ihnen recht herzlich für das offene Gespräch und dafür, dass Sie Ihre Erfahrungen mit uns teilen!
Svenja Teichmann ist Geschäftsführerin der Digitalagentur crowdmedia GmbH. Seit 2007 ist sie als Beraterin, Seminar- und Workshopleiterin in den Bereichen Kundenbindung, Online-Marketing und Social-Media tätig. Mit ihrer Erfahrung und Expertise unterstützt sie Unternehmen dabei, sinnhaftes und zielgerichtetes Digital-Marketing zu betreiben.
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