Im Spannungsfeld zwischen sozialen Netzwerken und Influencer-Marketing hat sich auch das Bild geändert, das wir von einem Manager haben. Ein CEO muss vor allem eins sein: eine authentische Marke. Wie das gelingt, verrät Personal-Branding-Expertin Oxana Zeitler im Zur-Sache-Interview.
5. Februar 2020
Liebe Oxana, mit Deiner vision2brand Managementberatung betreust Du namhafte CEOs und Topmanager führender Unternehmen. Warum müssen sich auch Führungskräfte heutzutage selbst vermarkten? Und wie?
Um diese Frage beantworten zu können, muss ich zunächst etwas weiter ausholen. Denn all die Freiheiten und Möglichkeiten, die uns innovative Technologien, neue Denkansätze und grenzüberschreitendes Arbeiten bieten, tragen immer auch ihr Gegenteil in sich: Mehr Freiheit verlangt mehr (Selbst-)Disziplin. Mehr Nähe erfordert mehr Abgrenzung. Mehr Auswahl mehr Eingrenzung. Wenn man sich das verdeutlicht, wird das Dilemma greifbar, dem viele Business-Leader gegenüberstehen: Sie müssen viel mehr machen als bisher, um erfolgreich zu sein. Und: Sie müssen auch noch alles anders machen.
Wie sich Manager heute verhalten müssen, zeigen zwei aktuelle Beispiele. Im Oktober 2019 hat SAP-CEO Bill McDermott den Softwaregiganten nach zehn Jahren an der Spitze verlassen. Auch bei der Telekom-Tochter T-Mobile US kündigt sich ein Führungswechsel an: Im Mai 2020 wird sich der charismatische CEO John Legere zurückziehen. McDermott und Legere dienen als Vorbild und Role-Model für eine neue Art von Leadership: selbstbewusst, offen und vernetzt. Beide haben den Börsenwert ihrer Unternehmen beträchtlich gesteigert. Die Ankündigungen Bill McDermotts und John Legeres führten in den sozialen Medien für ein Twitter-, LinkedIn- und Facebook-Gewitter. In Sekundenschnelle gingen die Nachrichten um die Welt und sorgten für reichlich Aufmerksamkeit, Beifall, Verwirrung und Spannung.
Früher wäre der Wechsel an der Spitze dieser Unternehmen vor allem eine Frage der Wirtschaftsjournalisten gewesen. Sie hätten über den Personalwechsel berichtet – und zwar auf Grundlage von Informationen, die sie von der jeweiligen Presseabteilung erhalten hätten. Der Duktus? Sachliche Notiz, Würdigung, Dank, Ausblick auf die Zukunft und Informationen über die Nachfolger. Und dann: Ruhe. Auch wenn hinter einem Wechsel in Top-Vorständen weder Krise noch Unstimmigkeiten standen, war zurückhaltende Kommunikation das oberste Gebot. Mit dem Ausscheiden aus dem Amt war für einen CEO zunächst einmal Stille angesagt. Nach ein paar Monaten hätte die Öffentlichkeit dann erfahren, dass der Manager bei einem neuen Unternehmen angeheuert hat – unter neuer Flagge, unter neuer Marke.
Ganz anders bei Bill McDermott und John Legere. Kommunikativ war und ist bei beiden nicht die leiseste Spur von Unstimmigkeit oder Unzufriedenheit zu erkennen. So sprach die Telekom ganz bewusst von einem „weichen Führungswechsel“. Mit Mike Sievert tritt keine Verlegenheitslösung die Nachfolge an – ganz im Gegenteil. Das Manager Magazin sieht den COO, der seit mehr als sieben Jahren in den USA zum T-Mobile-Führungsteam zählt, als „Mastermind im Hintergrund.“ Er freut sich über den Schritt nach vorn auf seinem LinkedIn-Account: „T-Mobile ist ein unglaubliches Unternehmen mit unglaublichen Mitarbeitern – es ist eine Ehre, unsere Geschichte voranzubringen.“
Das ist symptomatisch für diese Art des „weichen Führungswechsels“. Ich finde, er spiegelt eine neue Art Leadership und eine neue Weise, über Führung zu sprechen, wider: Es gibt keine Verlierer. Es gibt keine Zäsur, sondern ein neues Kapitel. Der neue CEO darf sich freuen, während der Vorgänger auf seinen Social-Media-Accounts Glückwünsche postet: nicht nur pflichtgemäß und verhalten, sondern loyal, freundschaftlich und emotional. Kein Staatsakt, eher ein Happening. Auch Bill McDermott ließ es sich nicht nehmen, sehr persönliche Glückwünsche an seine Nachfolger, Christian Klein und Jennifer Morgan – immerhin die erste Frau an der Spitze eines DAX-Konzerns –, zu senden: „Jeder CEO träumt davon, ein außergewöhnlich starkes Unternehmen an die nächste Generation weiterzugeben.“
Die beiden prominenten Wechsel illustrieren eine neue Art von Führung und eine neue Art von Kommunikation: Offen, ehrlich und vor allem wertschätzend und positiv über die Social-Media – statt getragen, nüchtern und sachlich per Pressemitteilung.
Diese Art der Kommunikation ist neu. Neu ist auch die Balance zwischen Organisation und Individuum: Die Nachricht lautet nicht „Markenunternehmen trennt sich von Manager“. Die Nachricht lautet: „Neues Kapitel für die Unternehmensmarke und neues Kapitel für die CEO-Brand“.
Stichwort: CEO-Branding: Wie gelingt es Managern, selbst eine starke Marke zu werden?
Zweifelsohne sind John Legere und Bill McDermott sehr strahlende Marken. Sie haben dem jeweiligen Konzern einen Charakter, ein Gesicht gegeben. So unterschiedlich diese beiden CEOs auch sind – hier der smarte Vertriebler, dort der schräge Regelbrecher –, beide verkörpern einen völlig neuen Leader-Typus: Sie kommunizieren nicht ihre Erfolge, sondern sind erfolgreich, weil sie kommunizieren. Ihre Tweets, Posts und Videos sind kein Zeitvertreib, kein Schabernack, kein Selbstzweck. Sie nutzen jede Gelegenheit, um Optimismus, Elan und Lebensfreude zu vermitteln – Freude am Unternehmen, Freude an Produkten, Freude an Beziehungen, Vorfreude auf die Zukunft. Deshalb fällt es ihnen leicht, ihr Unternehmen in den höchsten Tönen zu loben – auch dann, wenn sie bald gar nicht mehr auf dessen Payroll stehen. Sie habe erkannt, wie entscheidend Vernetzung im 21. Jahrhundert ist: Vernetzung ist die lukrativste Währung für Führungskräfte.
Dahingehend sind beide große Vorbilder. Immer mehr Top-Leader erkennen, wie sehr sie sich und ihren Führungsstil ändern müssen, wenn sie im Social-Media-Zeitalter erfolgreich sein wollen. Sie spüren, dass es immer mehr ihre Aufgabe wird, kluge Köpfe anzuziehen, für Vertrauen bei den Kunden zu werben und mit Pioniergeist und kindlichem Staunen die Lernkurve des Unternehmens hochzuhalten. Sie erkennen: Ihre LinkedIn-, Twitter und Instagram-Accounts sind mehr als Distributionskanäle für Pressemitteilungen. Sie sind Tools, über die sie sich vernetzen und austauschen. Und sie sind ihr ganz persönliches Leadership-Cockpit: Hier können sie an den entscheidenden Reglern und Knöpfen drehen, die ihre Wirkung als Business-Leader bestimmen: ihre Ausstrahlung, ihre Begeisterungsfähigkeit, ihre Vertrauenswürdigkeit, ihre Lernfähigkeit und ihre Unverwechselbarkeit. Kurz: ihre CEO-Brand. CEOs, Topmanager und Business-Leader brauchen ein neues Mindset, sie müssen neue Kommunikationsmuster testen und neue Partner gewinnen. Sie müssen ihre Kompetenz sichtbar machen und ihrem Unternehmen einen wichtigen Vorsprung verschaffen. Sie müssen sich ins Gespräch bringen, bevor andere es tun.
Bei Deinen Beispielen handelt es sich um Tech-Konzerne? Woher kommt Deine Leidenschaft für diese Branche?
Ich habe mich schon immer von allem Digitalen und neuen Trends faszinieren lassen – vielleicht auch deshalb, weil ich die Tochter eines Forschungsdirektors bin. Der Zauber neuer Technologien, PCs und Software hat mich von klein auf gefesselt. Mit meinem ersten Atari ST habe ich mich spielerisch ausprobiert, erste kleine Programme geschrieben. Und ich habe natürlich unzählige Reisen durch die verschiedenen Levels der Computerspiele, die die Welt der Personal-Computer damals zu bieten hatte, unternommen. Seitdem begleitet mich eine Erfahrung, die immer noch gültig ist, auch wenn Atari, C64, Floppy Disks und PacMan längst im Museum der digitalen Geschichte gelandet sind: Computer bieten uns die wertvolle Möglichkeit, uns immer wieder neu auszuprobieren, uns neu zu erleben und neue Wege zu gehen. Ganz wichtig dabei ist: Fehler gehören dazu. Sie sind es, die uns voranbringen. Und genau das macht auch einen Social-CEO aus. Neugier und Mut, ebenso wie Präsenz und Haltung. Aber vor allem: Empathie. Wer im digitalen Zeitalter Erfolg haben will, muss nicht primär Zahlen und Produkte managen, sondern Menschen bewegen und Vertrauen gewinnen.
Liebe Oxana, wir danken Dir ganz herzlich, dass Du uns auf diese kurze Reise in das Branding von Topmanagern mitgenommen hast, und wünschen Dir weiterhin viel Erfolg mit vision2brand.
Sie wollen noch mehr über CEO-Branding erfahren? Dann lesen Sie das Managementbuch Lead the Future - Shape your Brand. Personal Branding für CEOs, Topmanager und Business Leader von unserer Interview-Partnerin Oxana Zeitler.
Oxana Zeitler ist Markenstrategin und Expertin für Personal Branding und digitale Kommunikation. Als Unternehmerin und Gründerin der vision2brand Managementberatung mit Sitz in Berlin betreut sie gemeinsam mit ihrem Team namhafte CEOs und Topmanager führender Unternehmen. Dazu nutzt sie ihre langjährige Erfahrung in der Integration digitaler Technologien und der Umsetzung von Kommunikationsstrategien in internationalen Konzernen. Ihr CEO-Branding-Ansatz hilft Topmanagern, unternehmerische Entscheidungen gezielt auf gesellschaftliche Trends und strategisch ausgerichtetes Reputationsmanagement abzustimmen.