Im Hinblick auf die Digitalisierung war eine Initialzündung, wie sie die Corona-Pandemie hervorgerufen hat, längst überfällig. Davon ist Mattias Schwarz, Senior Vice President EMEA der Berlitz Corp., überzeugt. Im Zur-Sache-Interview verrät er, wie der Anbieter von Sprach- und Business-Kursen die letzten Wochen erlebt hat und was er für die Zukunft mitnimmt.
29. Juli 2020
Lieber Herr Schwarz, als Anbieter von Sprachkursen und Business-Seminaren hat sich das Angebot von Berlitz in den vergangenen Wochen sicherlich stark verändert. Wie haben Sie Ihr Portfolio an die Situation angepasst?
Glücklicherweise waren wir bei Berlitz bereits vor der Corona-Krise digital sehr gut aufgestellt. Als Pionier des digitalen Lernens haben wir 2001 das erste virtuelle Klassenzimmer für Sprachkurse angeboten. Seitdem haben wir unser Angebot für digitales beziehungsweise virtuelles Lernen ständig erweitert – auch weil die Resonanz unserer Kunden gut war und sie immer offener für diese neuen Trainingsformen wurden. Außerdem kam uns zugute, dass wir im Hinblick auf unsere eigene Arbeitsorganisation auf den Lockdown vorbereitet waren. Da wir Niederlassungen in Asien betreiben, wussten wir durch unsere dortigen Kollegen, was auf uns zukommen würde. Wir konnten den Umzug ins Homeoffice dank bereits verwendeten Technologien wie VoIP und VPN problemlos bewerkstelligen und auch unsere Kunden proaktiv auf die neue Situation vorbereiten.
In der Tat haben wir unser Portfolio dann sehr schnell an die neue Situation angepasst und noch mehr Möglichkeiten für digitales und virtuelles Lernen geschaffen. Unter dem Begriff „Digitales Lernen“ fassen wir dabei alles zusammen, was zum Self-Learning zählt, also das selbstständige Lernen über eine Online-Plattform. Von „virtuellem Lernen“ sprechen wir hingegen dann, wenn sich Trainer und Schüler zu einer Unterrichtseinheit im virtuellen Raum treffen. Neben den momentan weniger gefragten Präsenztrainings haben wir auch Mischformen im Angebot, wie etwa das Blended-Learning. Hier findet ein Teil des Unterrichts live vor Ort im direkten Miteinander statt, ein anderer Teil digital oder virtuell. Nicht zuletzt haben wir, bedingt durch die Corona-Pandemie, ein neues Format früher als geplant gelauncht. Das Hybrid-Learning wollten wir eigentlich erst Ende 2020 einführen. Dabei kann der Schüler flexibel entscheiden, wann, wo und wie er sich mit seinem Lehrer treffen möchte: persönlich oder virtuell.
Rückblickend kann man schon sagen, dass die Kunden unsere Online-Angebote sehr gut angenommen haben. Eine Hälfte möchte auch nach der Krise beim virtuellen Lernen bleiben, die andere Hälfte freut sich schon darauf, bald wieder live und in Farbe mit einem Trainer zusammenzuarbeiten. Das ist für uns das wichtigste Learning: Zukünftig wird es ein starkes Nebeneinander aus Präsenz- und Online-Trainings geben.
Seit dem Beginn der Einschränkungen sind einige Monate ins Land gezogen. Können Sie ein erstes Fazit ziehen? Was hat gut funktioniert, wo und inwiefern besteht Optimierungsbedarf?
Die Veränderungen kamen sehr schnell, das hatten wir so nicht erwartet. Zunächst mussten wir feststellen, dass die Budgets für Fort- und Weiterbildungen in vielen Unternehmen auf Eis gelegt waren. Auch gab es Kunden, die auf unsere Online-Angebote eher zurückhaltend reagiert haben. Sie haben auch weiterhin Sprach- beziehungsweise Integrationskurse vor Ort präferiert. Das haben wir natürlich akzeptiert, denn die schnelle Umstellung auf Online-Trainings hätte auch für sie eine organisatorische Umstellung der laufenden Trainingsmaßnahmen bedeutet. Ansonsten waren die Erfahrungen überwiegend positiv. Viele Unternehmen wissen, wie wichtig es ist, ihre Mitarbeiter weiterzubilden – auch und gerade in Krisenzeiten. Das Angebot, an einer Fortbildung teilzunehmen, ist eine tolle Motivation. Es zeugt von einer großen Wertschätzung dem Mitarbeiter gegenüber und ist zugleich Ausdruck einer gewissen Normalität.
Außerdem stellen wir fest, dass der Markt in den letzten Monaten insgesamt sehr viel offener für das virtuelle Lernen und das digitale Self-Learning geworden ist. Das mag zum einen daran liegen, dass wir unser Angebot ausgeweitet haben. Zum anderen ist es uns gelungen, mit unserem Portfolio nun auch Kunden aus dem Consumer-Bereich anzusprechen. Zuvor lag unser Fokus stärker auf dem B2B. Dass wir neue Kundensegmente erschließen konnten, ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass wir uns der Situation gestellt haben. Denn zu glauben, dass sich bewährte Trainingsmethoden mir nichts, dir nichts in den digitalen Raum verlagern lassen, ist ein Trugschluss. Die Anforderungen sind andere – sowohl an die Trainer als auch an die Methodik und die Lehrpläne. Und dann muss auch die Technik stimmen. Ein virtuelles Klassenzimmer muss didaktisch gut aufgebaut sein. Dank ausgereifter Technik können unsere Trainer heute Audios und Videos ohne Unterbrechung abspielen, sie können virtuelle Whiteboards beschreiben und sich mit einzelnen Schülern in Breakout-Rooms zurückziehen. Das wäre vor ein paar Jahren noch nicht möglich gewesen.
Mit den verbesserten Möglichkeiten sind aber auch die Erwartungen der Teilnehmer gestiegen. Sie erwarten qualifizierte Trainer, einen guten Lehrplan, eine einwandfrei funktionierende Technik und dass man ihre vorab formulierten Ziele in das Training einbezieht. Was das Online-Training so besonders flexibel macht, ist die Option, eine Session aufzuzeichnen – sofern der Schüler dem zugestimmt hat. So kann er die Unterrichtseinheit noch einmal ansehen – wo und wann er will. Das ist ein weiterer Vorteil, den das digitale Lernen dem analogen gegenüber hat.
Auch aus diesem Grund haben die Erfahrungen der letzten Monate bei der Mehrheit unserer Kunden bleibende Veränderungen bewirkt. Wer bisher noch gezögert hat, dem ist jetzt – quasi mit der Brechstange – bewusst geworden, dass die Digitalisierung mit Nachdruck voranzutreiben ist. Die Unternehmen erkennen, dass sie nicht mehr aufzuhalten ist und dass die Digitalisierung unglaublich viele tolle Möglichkeiten bietet – auch im Bereich der Weiterbildung, und das zum Teil zu günstigeren Preisen. Entsprechend sind unsere Seminare für virtuelles Führen, virtuelles Verkaufen und virtuelles Präsentieren so gefragt wie nie zuvor. Wobei man ehrlicherweise sagen muss, dass es für bestimmte Lerninhalte einfach den Face-to-Face-Kontakt braucht. Beispiele sind Trainings in den Bereichen Führung und Konfliktmanagement. Hier gehen die vermittelten Fertigkeiten mit einer Bewusstseinsänderung einher. Und um das zuzulassen, muss der Schüler seinen Trainer persönlich kennen und ihm vertrauen.
Was haben Sie generell gelernt? Gibt es Dinge, die Sie beibehalten werden, wenn die Krise ausgestanden ist?
Vertrauen ist überhaupt ein Thema, das uns antreibt. Inwieweit können wir darauf vertrauen, dass es keinen zweiten Lockdown gibt? Meine ehrliche Antwort: Gar nicht! Aber wir haben gelernt, dass wir auf jeden Fall vorbereitet sein müssen. Hier wären wir wieder beim vielzitierten Homeoffice. Die Organisationsform muss sich in den Unternehmen dahingehend ändern, dass Mitarbeiter flexibel von zuhause arbeiten können. Hierfür braucht es funktionierende digitale Infrastrukturen und entsprechende Technologien. Bei Berlitz haben wir beispielsweise unsere Website weiterentwickelt. Privatkunden können sich für einen Self-Learning-Kurs einfach online anmelden. Auch haben wir mit Freude festgestellt, wie gut es gelingen kann, vormals analoge Seminare ins Virtuelle zu verlegen. Unsere beliebten Kids Sprachcamps, für die rund 9.000 Kinder angemeldet waren, mussten in den Osterferien leider ausfallen. Dieses Angebot haben wir – quasi über Nacht – virtualisiert. Dass das die richtige Entscheidung war, zeigen die gute Resonanz und die große Anzahl an Buchungen. Auch mit unserer Berlitz Digital School hatten wir den richtigen Riecher. Den Programmierkurs für Kinder und Jugendliche haben wir im Herbst 2019 erstmals angeboten und nun auch virtuell verfügbar gemacht. Die Familien sind begeistert, die Kinder hochkonzentriert bei der Sache. Auch unsere virtuellen Sprachkurse kommen bei den Teilnehmern gut an.
All das zeigt uns: Wenn man die Digitalisierung richtig anpackt, wird sie gut. Wir müssen es unseren Teilnehmern so einfach wie möglich machen. Das gilt nicht nur für die Online-Anmeldung und das Self-Learning, sondern insbesondere auch für unsere Unternehmenskunden. Aus Sicherheits- und Compliance-Gründen ist es in vielen Firmen nicht erlaubt, externe Software-Applikationen herunterzuladen und in die Systemumgebung zu integrieren. Das ist richtig und wichtig, wird aber von manchen Anbietern von Online-Lern-Plattformen noch nicht berücksichtigt. Um die Teilnahme so niederschwellig wie möglich zu halten, bekommen unsere Teilnehmer einfach einen Link per E-Mail zugeschickt, über den sie dann die Lern-Plattform besuchen können. So einfach kann Digitalisierung manchmal sein.
Herr Schwarz, vielen Dank für das inspirierende Interview!
Mattias Schwarz ist seit 20 Jahren in unterschiedlichen Funktionen für die Berlitz Deutschland GmbH tätig. 2007 wurde er zum Prokuristen berufen. Seit Anfang 2014 vertritt er das Unternehmen als Geschäftsführer und trägt zusätzlich, als Senior Vice President EMEA, die Verantwortung als Regionaldirektor für Europa, den Mittleren Osten und Afrika mit 230 Centern in 45 Ländern.
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