„Trust. Wo Vertrauen entsteht und wie es wirkt“. Unter diesem Motto steht der diesjährige Neuromarketing-Kongress, der am 15. Mai in der BMW Welt München stattfindet. Vertrauen und wie es entsteht, ist einer der Forschungsschwerpunkte von Prof. Dr. Christian Montag. Im Interview gibt er einen Ausblick auf seinen Vortrag.
4. April 2019
Herr Professor Montag, können Sie sich bitte kurz vorstellen? Was sind Ihre Forschungsschwerpunkte?
Mein Name ist Christian Montag. Ich leite die Arbeitsgruppe „Molekulare Psychologie“ an der Universität Ulm. Seit März 2016 bin ich daneben als Gast-Professor an der University of Electronic Science and Technology of China in Chengdu, China, beschäftigt. Dort habe ich in den letzten Jahren neben meiner Tätigkeit in Ulm einen Teil meiner Forschungszeit verbracht, um sowohl ein molekulargenetisches als auch endokrinologisches Labor aufzubauen. Ich erforsche unter anderem, wo die Abschnitte auf dem menschlichen Genom zu finden sind, die interindividuelle Differenzen in Persönlichkeitseigenschaften erklären können. Zusätzlich interessiere ich mich besonders stark für die Frage, wie die Digitalisierung unser Gehirn und unsere Psyche verändert. Auch Neuroökonomie ist für mich ein sehr spannendes Thema. Die unterschiedlichen Aspekte meiner Forschung werden in meinen Vortrag auf dem NMK2019 einfließen.
Worum wird es in Ihrem Vortrag auf dem NMK2019 gehen und warum sollte man ihn auf keinen Fall verpassen?
Es wird in meinem Vortrag um die bio-psychologischen Grundlagen des Vertrauens gehen. Dieses Thema ist sehr wichtig, weil ich davon überzeugt bin, dass Vertrauen eine der zentralen Variablen darstellt, die unsere Gesellschaft zusammenhält. Vertrauen entsteht auf interpersoneller Ebene zunächst zwischen zwei Menschen, lässt sich aber auch auf der Ebene zwischen Organisation beschreiben und untersuchen. Wir erinnern uns alle noch gut an die Pleite der Lehmann Brothers 2008 oder den Cambridge Analytica Datenskandal 2018. Hier zeigte sich jeweils in trauriger Weise, wie schnell Vertrauen zerstört werden kann und wie lange es dagegen dauert, bis Menschen wieder Vertrauen in Institutionen (und natürlich auch in andere Menschen) erneut aufbauen – sofern das überhaupt noch möglich ist.
In meinem Vortrag werde ich darum die Frage beleuchten, welche Merkmale eine Person als „vertrauenswürdig“ erscheinen lassen, aber auch, welche Aspekte erklären können, warum bestimmte Menschen anderen Personen schneller Vertrauen schenken. Dabei wird ein differentiell-psychologischer Ansatz im Vordergrund stehen, mit dem sich erklären lässt, welche Persönlichkeitseigenschaften mit den unterschiedlichen Facetten von Vertrauen assoziiert sind. In diesem Kontext ist übrigens auch die Erbe-Umwelt Debatte zu betrachten: Wie stark lassen sich interindividuelle Differenzen in Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit durch unser Genom erklären? Darüber hinaus werde ich molekulare Aspekte interindividueller Differenzen in Vertrauen auf hormoneller Ebene erläutern. Auch wenn dieses Thema unter Wissenschaftlern kontrovers diskutiert wird, scheint das Bindungshormon Oxytocin eine wichtige Rolle für Vertrauen zu spielen. Daneben werde ich Studienergebnisse präsentieren, die zwischenmenschliches Vertrauen durch Daten aus MRT-Verfahren erklären möchten. Bei MRT-Verfahren handelt es sich um wichtiges bildgebendes Verfahren des Gehirns. Zu guter Letzt werde ich auf das Thema Vertrauen im digitalen Zeitalter eingehen. Privacy und Datenschutz sind auf Konsumentenseite von großer Relevanz, um Vertrauen in Marketingforschung und Microtargeting-Maßnahmenzu bekommen. Die praktische Bedeutung von Vertrauen wird meinen Vortrag abschließen.
Einer Ihrer Forschungsschwerpunkte ist die Frage, wie digitale Welten den Menschen verändern. Welche Auswirkungen haben diese Veränderungen auf die zukünftige Kommunikation von Unternehmen mit ihren Kunden?
Die rasanten Veränderungen im interpersonellen Bereich durch die Digitalisierung spiegeln sich unter anderem in einer schnelleren Form der Kommunikation wider, die lange Zeit vor allen Dingen in Kurznachrichten und/oder E-Mails bestand. Diese Form der Kommunikation ist eher eindimensional, da ich in einem direkten Gespräch vergleichsweise auf mehreren Ebenen kommunizieren kann. Wenn ich direkt mit einer Person rede, kommuniziere ich nicht nur über den Sprachinhalt, sondern auch über Mimik, Gestik und Stimmfall. Kurzum, dem Gegenüber wird schneller bewusst, in welcher emotionalen Verfassung ich mich befinde und wie das von mir Gesagte einzuordnen ist. Diese fehlenden Informationsebenen versuchen wir in der digitalen Schriftkommunikation durch die Nutzung von Emojis zu verbessern. Allerdings besteht nicht unbedingt Einigkeit darüber, was diese Emojis genau bedeuten. Das führt dazu, dass viele unserer täglichen Nachrichten missverstanden werden. Das ist meines Erachtens besonders problematisch, wenn im geschäftlichen Bereich auch mal ein kritisches Thema anzusprechen ist.
Was mache ich persönlich aus dieser Erkenntnis? Ich selbst habe aktuell Mitarbeiter in Ulm und in Chengdu. Ich versuche, trotz der großen Distanz zwischen den Laboren, möglichst viel direkt, telefonisch oder per Skype zu besprechen, weil diese Form der Kommunikation schneller zu Lösungen alltäglicher Probleme führt. Ich habe selbst erfahren, dass sich durch direktere Formen der Kommunikation Missverständnisse eher aus dem Weg räumen lassen bzw. gar nicht erst entstehen. Von daher bin ich davon überzeugt, dass eine direkte Kundenansprache und eine direkte Form des Austauschs mit den Kunden in vielen Fällen schneller dazu führen können, genau zu verstehen, was der Kunde eigentlich möchte, um ihn dann möglichst optimal betreuen zu können. Natürlich ist aber auch damit zu rechnen, dass der Gebrauch digitaler Mittel in Zukunft eine noch größere Rolle in der Kundenkommunikation spielen wird. Und sehr direkte Formen der Kommunikation wie eine Gesicht-zu-Gesicht-Kommunikation sind nicht immer möglich – insbesondere in der Werbung, wenn viele Personen gleichzeitig angesprochen werden sollen. Hier gibt es jedoch immer bessere Möglichkeiten, durch persönliche und maßgeschneiderte Ansprachen in der digitalen Kommunikation zu punkten. Microtargeting ist in diesem Zusammenhang sicherlich interessant, aber auch datenschutzrechtlich heikel (siehe oben).
In jedem Fall müssen Kunden immer transparent nachvollziehen können werden, welche personenbezogenen Daten ausgewertet werden, um beispielsweise maßgeschneiderte Werbebotschaften zu platzieren. Wenn dies nicht geschieht, werden Kunden schnell die Reißleine ziehen: Wie schnell Vertrauen zerstört werden kann, habe ich eingangs ausgeführt. Darum bin ich davon überzeugt, dass man zum einen die noch vorherrschende geringere Dimensionalität der digitalen Kommunikation im Hinterkopf behalten muss, wenn man nachhaltig erfolgreich mit Kunden kommunizieren möchte. Zusätzlich sind auch in einem digitalen Zeitalter Prinzipien der Transparenz von größter Bedeutung.
Das vollständige Programm mit allen Referenten und die Anmeldung gibt es unter https://www.neuromarketing-wissen.de/kongress/anmeldung. Jetzt anmelden!